Mein Fahrrad und ich – Part 11: Fußfessel

Es gibt Dinge in Beziehungen, die beachtet man nicht. Bis sie irgendwann kaputt gehen. Ein bisschen nach dem Motto: Man vermisst etwas erst, wenn es nicht mehr da ist. Und wenn es erst mal kaputt ist, bleibt immer diese Frage danach, ob das wirklich noch zu kitten ist.  

Die Beziehung zu Victoria ist ohnehin wackelig. Mittlerweile habe ich zwar überwunden, dass sie das Ersatzfahrrad für meinen schmerzlich vermissten Diamanten ist, und außer der Gangschaltungsschlappe zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit hat sie auch keine erwähnenswerten Aussetzer gehabt, aber irgendwie ist sie eben doch immer noch die Notlösung. Ich hatte sie damals nicht mal selbst ausgesucht – im Gegensatz zu Digi, was beweist, dass das auch nicht viel gebracht hätte. Der Freund hatte Victoria ausgesucht. Und er ist auch derjenige, der den heutigen Streit schlichtet.

Denn es gibt eine Sache, die ich bei Victoria nicht beachtet habe: Sie hat ein fest montiertes Fahrradschloss am Hinterrad, für das es keinen Schlüssel gibt. Deshalb nutzen wir es nicht, was okay ist. Dank meiner Erfahrungen mit dem Diamanten schließe ich mein Fahrrad in Bonn sowieso immer an etwas fest. Da reicht ein Hinterradschloss also ohnehin nicht aus, weil man es ja um keinen Laternenpfahl oder Fahrradständer herumwickeln kann. Womit also niemand rechnet: Irgendjemand nutzt das fest montierte Hinterradschloss, für das es keinen Schlüssel gibt, eines Tages doch.

Und als ich also nach Hause komme, bockt Victoria nur rum. Ich laufe schon rot an vor Wut und rüttele und schüttele, bis mir klar wird, dass ich Victoria wohl nach Hause tragen muss, wenn ich sie von der Fußfessel befreien will. Denn ausgerechnet heute habe ich mein Werkzeug für spontane Donnerstagsreparaturen natürlich nicht dabei. Warum? Weil nicht Donnerstag ist.

Der Weg nach Hause dauert auf Victoria etwa 10 Minten. Mit Victoria auf dem Arm dauert er etwa 35 Minuten – einmal durchschwitzen und Schulterstarre inklusive. Ich bin wütend am Rande vom Heulkrampf. Man sollte doch meinen, mit der Zeit gewöhne man sich an die Macken, die man mit Fahrrädern so erleben kann. Aber irgendwie werde ich jedesmal emotional geblitzdingst, wenn ich mir mal wieder ein neues Rad anschaffen muss. Und deshalb sitzt wohl jeder Schock so tief.

In diesem Fall ist er zum Glück schnell überwunden: Der Freund findet einen Weg, das ungenutzte Hinterradschloss aufzubrechen. Victoria ist wieder frei und alles ist gut.

An diesem Tag lerne ich zwei Dinge: Für eine funktionierende Beziehung muss ich achtsamer sein. Und ein schlechter Start muss nicht zwangsläufig eine ganze Beziehung überschatten.

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Dieser Beitrag ist Teil meiner Fahrradgeschichten, die im Rahmen der Blogparade I want to ride my bicycle erscheinen.Hier geht es zurück zu Part 10: Rot, rot, tot
und hier geht es weiter zu Part 12: Ehrlichkeit

 

4 Gedanken zu “Mein Fahrrad und ich – Part 11: Fußfessel

  1. britti schreibt:

    Klasse beschrieben. Schön, dass du dich langsam mit ihr anfreunden kannst…Wünsche dir ein schönes Weihnachtsfest. Liebe Grüße, britti

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